Mein Film (?)

Ist das Leben ein Film? Wenn ja, wer spielt die Hauptrolle?
Ich?
Wer schreibt meinen Dialog, meine Auftritte, meine Gesprächssituationen und Partner?
Ich brauche einen neuen Stift!
Braucht derjenige auch ab und an eine neue Mine?

Wenn ich die Hauptrolle spiele, wie wurde sie vorgestellt? Wem wurde sie vorgestellt? Bin ich der einzige Besucher meines Films? Wenn dem so ist, warum habe ich dann die Hauptrolle? Klack – Verdammt schon wieder! Wie ich dieses Geräusch hasse. Zurück zum Film.

Klappe. Action! Der Hauptdarsteller sitzt vor einem Buch... nein, eher ein Heft. Er hebt kurz den Kopf als hätte er etwas gehört. Sein Blick schweift durch den Raum. Es sieht aus wie ein Schlafzimmer. Ein Bett in der Mitte, vier Wände, Boden, Decke, alles da. Eine kleine Ansammlung weiterer nützlicher Accessoires ... Kleidungsstücke, ein Schrank. Ein Baby schreit. Nur kurz, dann rückt das Geräusch des Wassers in den Rohren wieder in den Vordergrund.

Das Leben ist wie ein Buch hat mal jemand gesagt, glaube ich. Jeden Tag schreibt man ein neues Kapitel. Wenn es ein Film wäre, wie viele Szenen schreibt bzw. dreht man jeden Tag? Wie viele davon werden später nachbereitet? Welche werden aus dem Zusammenhang gerissen, welche mit Musik untermalt?

Bin ich Drehbuchautor meines eigenen Films? Käme der Aussage mit dem Buch entgegen. Donnergrollen. Der Hauptdarsteller hat kurz den Blick vom Heft genommen und.... Problem! Wie ist es möglich im Film die Gedanken auszudrücken, welche selbst zu schwer sind in einem Buch festzuhalten? Wer redet in meinem Leben? Wer redet in meinem Kopf?

Das Leben ein Monolog? Besser! Das Leben steht still wenn der Redner schweigt. Schweigt er jemals? Steht das Leben still?

Wenn das Leben ein Film, ein Buch oder ein Monolog ist, was passiert wenn ich die Augen schließe und schlafe? Wer geht dann weg? Das Leben? Die Welt?

Zu viele Fragen, keine Antworten. Typischer Monolog.

Stop, nein... im Monolog beantwortet man aufgeworfene Fragen.

Gedankenwechsel! Wie viel dessen was ich schreibe, „lebe“ oder gedenke zu tun, glaube ich? Bilde ich mir ein? Was ist real? Kann ich die Nebenrollen verändern? Muss ich dazu wirklich die Hauptfigur verändern, zumindest im Bezug auf die Nebencharaktere meines Films? Wie viel versucht die Nebenrolle meines Films, welche in ihrem eigenen Film wohl oder übel die Hauptrolle inne hat, ihre Nebenrolle, sprich meine Hauptrolle, zu manipulieren?

Leben ist gleich Film? Beweisführung wird schwerer als erwartet. Wie kann man, ... ich fange an „man“ zu sagen! Ich projiziere mich! Projektion. Film! Leben?

Projektion. Wie viel projiziert man, nein: Wie viele Hauptfiguren anderer Filme projiziere ich in Meinen? Ich schreibe ab. Und was passiert während ich abschreibe? Ein Zug fährt in der Ferne mit hundert Filmrollen in die Nacht. Sind diese Filmrollen interessant? Wie viele Minuten dieser Filme sind identisch mit meinem? Filmdauer 2 Stunden. Standardfilmlänge. Nein! Überlänge! Standard liegt bei 1:30, denke ich.

Die erste Viertelstunde: Einführung der Charaktere! Wie oft wird in dem Zug die gleiche Einführung gegeben? Wie oft könnte ein Schauspieler – ohne große Vorbereitung – in diesen hundert Zelluloidstreifen die Hauptrolle übernehmen?

Wenn mein Leben ein Film ist, wem würde ich als Regisseur die Hauptrolle geben? Paul Newman? Arnold Schwarzenegger? Brad Pitt?

Halt! Bin ich Regisseur meines eigenen Filmes?

Der Hauptdarsteller blickt nachdenklich auf ein zerknautschtes T-Shirt, welches so aussieht, als ob es schon ein paar mal getragen worden wäre. Den Blick kreuzt eine Mücke. Verdammtes Mistvieh. Wahrscheinlich hat es mich schon gestochen!

Der Regisseur! Der Regisseur kennt das komplette Drehbuch. Kenne ich mein Drehbuch? Wenn ich wie behauptet der Autor wäre, sollte ich das. Sie hat mich tatsächlich schon gestochen.

Oder doch nur Zuschauer? Ich weiß nicht was kommt. Oder habe ich es bereits wieder vergessen? Ist mein Drehbuchautor ein Alkoholiker? Leidet er an Amnesie? Und was ist mit dem Regisseur? Er steht unter Druck! Heute müssen noch ein paar Szenen in den Kasten! Keine Zeit an Morgen zu denken. Dafür hat er seinen teuer bezahlten Assistenten. Wie viel bezahle ich für Assistenten? Wer sind meine Assistenten? Der Hauptdarsteller hat ein ganzes Team welches ihm hilft. Die Souffleuse! Gibt es die beim Film? Theater! „Mein Gott mein Leben ist aber ein Theater!“ `Tschuldigung für diesen schlechten Kalauer!

Wenn ich der Hauptdarsteller bin, wem plappere ich nach? Erst denken, dann reden. Leichter gesagt als getan! Wenn ich heute zu lange denke, kann ich erst morgen den Senf von gestern dazugeben. Also nachplappern! Und hoffen dass der Regisseur nicht ausflippt.

Wer sagt eigentlich dem Regisseur was er machen soll?

Gut. Drehbuchautor. Der macht aber keinen Druck, außer man verstümmelt vielleicht sein Werk. Nein, der wurde bezahlt, hat nichts mehr zu sagen.
Wer produziert meinen Film, mein Leben?
Rein biologisch gesehen, klar! Ich wurde produziert. Keine Details hier!
Man produziert sich oft gerne. Falsch. Ich produziere mich gerne. Produziere ich meinen Film? Hab ich die Gelder für die teure Starbesetzung, das große Studio und die hervorragende Crew zur Verfügung gestellt?
Ist das Studio groß? Hat mein Film Stars?
Habe ich Schulden machen müssen um meinen Film realisieren zu können? Wenn ja, bei wem?

Wie viele Zuschauer müssen den Film besuchen, dass ich wenigsten keinen Verlust mache?

REICHT EINER?

© 2002, Ian Kaye